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CFP: “Zweierlei Sprache”. Ein Workshop über Dora Sophie Kellner (1890-1960)

June 18, 2026 @ 8:00 am - June 19, 2026 @ 11:00 pm

Workshop, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
organisiert von Esther Bauer, Brian Britt, Carolin Duttlinger und Daniel Weidner

Mit einer Keynote von Eva Weissweiler

 

Vorschläge bis zum 1.12.2025

„Dora Sophie Kellner”, „Dora Sophie Benjamin“, „Dora Sophie“, „Dora“, „D.S.B.“ „K“ oder auch gar nicht – so verschieden unterzeichnet Dora Sophie Benjamin, geborene Kellner ihre Veröffentlichungen. Die Vielfalt ist kein Zufall, sie entspricht der Medienlandschaft der Weimarer Republik, die von kleinen, oft anonymen Beiträgen lebt, und sie entspricht zugleich auch den spezifischen Schwierigkeiten weiblicher Autorschaft in diesem System: Autorinnen schreiben in verschiedenen und oft disparaten Genres und Idiomen und müssen, so Dora Benjamin/Kellner selbst in einer Glosse, nicht zuletzt „zweierlei Sprache“ beherrschen: die hegemoniale der Männer und die ‚eigene‘, neue der Frauen . Der Workshop nimmt diese Vielfalt zum Anlass, um diese Texte neu zu lesen: Was wird in ihnen verhandelt, in welchen diskursiven und publizistischen Kontexten stehen sie? Was sagen sie insbesondere über weibliche und über journalistische Autorschaft? Und wie können wir sie heute lesen?


DoraZweierleiSprache
Dora Sophie Kellner war lange vor allem bekannt, weil sie von 1917 bis 1930 mit Walter Benjamin verheiratet war. In den letzten Jahren ist aber besonders durch zwei Bücher von Eva Weissweiler stärker bewusst geworden, dass sie auch als Autorin und Herausgeberin eine wichtige und interessante Figur in der Medienlandschaft der Weimarer Republik war. In den 1920er Jahren veröffentlichte sie zahlreiche Besprechungen, Satiren, Geschichten und Glossen in den wichtigen Zeitungen und Zeitschriften der Weimarer Republik wie etwa der Literarischen Welt, dem Uhu, der Dame. Sie rezensierte breit englische und amerikanische Literatur und war auch als Übersetzerin aus dem Englischen tätig, u.a. von Geschichten von G.K. Chesterton. Sie äußerte sich immer wieder zur Frauenfrage: zu Formen der Ehe, zur Mode, zur Erziehung, zu Frauen in der Arbeitswelt und zu Künstlerinnen. Für eine Weile war Dora Benjamin/Kellner Herausgeberin von Die praktische Berlinerin und trug auch hier regelmäßig Satiren, Interviews, Porträts und Kurzgeschichten bei. Und sie verfasste mehrere Romane, die in Fortsetzungen in verschiedenen Tageszeitungen abgedruckt wurden, darunter ein in den dreißiger Jahre als „Gas gegen Gas“ und „Das Mädchen von Lagosta“ mehrfach erschienene  Roman über die Entwicklung besonders tödlicher neuer Giftgase. Von all diesen Texten ist nur ein einziger wiederabgedruckt worden – und zwar ironischerweise in der Werkausgabe ihres Mannes, die Dora Benjamin/Kellners 1925 veröffentlichte Zeitungsbeitrag „Waffen der Zukunft“ enthält – auch dieser Text handelt vom Gaskrieg der Zukunft – als stamme er von Walter Benjamins.

Wir glauben, dass die verschiedenen Texte Dora Benjamins/Kellners eine genauere Lektüre verdienen und dass an ihnen neue Formen der Lektüre entwickelt werden können. Dabei erscheinen uns folgende Kontexte besonders – aber keineswegs ausschließlich – wichtig.

  • Die Weimarer Medienlandschaft, in der Dora Benjamin/Kellner schrieb, ist schon seit langem ein wichtiges Forschungsfeld. Welche Rolle nehmen ihre Texte dabei ein, welchen anderen Texten ähneln sie sich, wie unterscheiden sie sich? Wie gelingt es der Autorin, sich hier zu etablieren, welche Netzwerke sowohl thematischer wie auch personeller Art sind dabei wirksam. Besonders wichtig und interessant ist dabei die Figur der Herausgeberin. Lässt sich an Die Praktische Berlinerin etwas von ihrer Arbeit ablesen? Wie verändert sich die Zeitschrift in dieser Zeit?FrauenDieIhren-PB2HeftJan27
  • Viele der Texte behandeln die Geschlechterverhältnisse, die sich in der Weimarer Republik radikal wandeln und intensiv diskutiert werden. Wie lassen sich diese Beiträge von Dora Benjamin/Kellner verorten, welche Trends nehmen sie auf, welche nicht und wie positionieren sie sich jeweils? Welche Themen werden dabei aufgenommen und wie wird dabei etwa Satire oder Fiktion verwendet? Wieder ist dabei Die praktische Berlinerin von besonderer Bedeutung: Welche Angebote macht die Zeitschrift an die Leserschaft und wie werden hier verschiedene Positionen miteinander ins Verhältnis gesetzt?
  • Wenn es um Literatur geht, handelt Dora Kellner/Benjamin weltliterarisch und weltläufig. Sie nimmt die neuen Formen der Berichterstattung auf, vor allem das Interview, und versucht der Leserschaft zu vermitteln, was aktuell in der literarischen Welt, vor allem in England und Amerika geschieht. Welche AutorInnen und Texte sind dabei besonders wichtig und wie verhalten sich ihre Besprechungen zu anderen zeitgenössischen Kritiken? Wie werden dabei immer wieder auch die Übersetzungen thematisiert und wie übersetzt Dora Kellner/Benjamin selbst?
  • Auch die eigenen Romane und Geschichten von Dora Kellner/Benjamin lohnen sich, genauer in den Blick zu nehmen. Inwiefern ähneln ihre literarischen Texte bestimmten Vorbildern, etwa der angloamerikanischen Short story? Unterscheiden sich ihre Romane von den andern typischen Fortsetzungsromanen der Zeit und wie entwickelt sich dieses Genre gerade? Was lässt sich heute davon noch lesen und wie profitieren LeserInnen von solcher Lektüre?
  • Schließlich kann auch das Verhältnis zu Walter Benjamin diskutiert werden, der sich ja in denselben Jahren wie seine Frau publizistisch zu etablieren sucht. Haben die beiden sich ausgetauscht, auch so etwas wie eine Arbeitsteilung – er bespricht französische, sie englische Literatur – praktiziert, gar zusammen geschrieben? Finden sich in seinen Texten Spuren ihrer Ideen und umgekehrt? Inwiefern haben sie dieselben Netzwerke genutzt und sich gegenseitig unterstützt? Kann man Walter von Dora her lesen, und was kann das methodisch bedeuten?

Wir laden WissenschaftlerInnen dazu ein, zu diesen und ähnlichen Themen aus Dora Benajmin/Kellners Leben und Werk Beiträge (auf Deutsch oder Englisch) von ca. 25 Minuten vorzuschlagen und bitten um die Zusendung ca.halbseitigen exposés bis zum 1.12. 2025 an bbritt@vt.edu, carolin.duttlinger@wadham.ox.ac.uk oder daniel.weidner@germanistik.uni-halle.de. Aufenthalts- und innerdeutsche Reisekosten werden im üblichen Umfang erstattet, internationale Reisekosten auf Anfrage unterstützt. Eine Publikation der Beiträge (idealerweise als Sonderheft einer Zeitschrift o.ä.) ist geplant .

Details

Start:
June 18, 2026 @ 8:00 am
End:
June 19, 2026 @ 11:00 pm