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CFP: “Zweierlei Sprache”. Ein Workshop über Dora Sophie Kellner (1890-1964)

June 18, 2026 @ 8:00 am - June 19, 2026 @ 11:00 pm

Workshop, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
organisiert von Esther Bauer, Brian Britt, Carolin Duttlinger und Daniel Weidner

Mit einer Keynote von Eva Weissweiler

english Version below

 

Vorschläge bis zum 9.1. 2026

„Dora Sophie Kellner”, „Dora Sophie Benjamin“, „Dora Sophie“, „Dora“, „D.S.B.“ „K“ oder auch gar nicht – so verschieden unterzeichnet Dora Sophie Benjamin, geborene Kellner ihre Veröffentlichungen. Die Vielfalt ist kein Zufall, sie entspricht der Medienlandschaft der Weimarer Republik, die von kleinen, oft anonymen Beiträgen lebt, und sie entspricht zugleich auch den spezifischen Schwierigkeiten weiblicher Autorschaft in diesem System: Autorinnen schreiben in verschiedenen und oft disparaten Genres und Idiomen und müssen, so Dora Benjamin/Kellner selbst in einer Glosse, nicht zuletzt „zweierlei Sprache“ beherrschen: die hegemoniale der Männer und die ‚eigene‘, neue der Frauen . Der Workshop nimmt diese Vielfalt zum Anlass, um diese Texte neu zu lesen: Was wird in ihnen verhandelt, in welchen diskursiven und publizistischen Kontexten stehen sie? Was sagen sie insbesondere über weibliche und über journalistische Autorschaft? Und wie können wir sie heute lesen?


DoraZweierleiSprache
Dora Sophie Kellner war lange vor allem bekannt, weil sie von 1917 bis 1930 mit Walter Benjamin verheiratet war. In den letzten Jahren ist aber besonders durch zwei Bücher von Eva Weissweiler stärker bewusst geworden, dass sie auch als Autorin und Herausgeberin eine wichtige und interessante Figur in der Medienlandschaft der Weimarer Republik war. In den 1920er Jahren veröffentlichte sie zahlreiche Besprechungen, Satiren, Geschichten und Glossen in den wichtigen Zeitungen und Zeitschriften der Weimarer Republik wie etwa der Literarischen Welt, dem Uhu, der Dame. Sie rezensierte breit englische und amerikanische Literatur und war auch als Übersetzerin aus dem Englischen tätig, u.a. von Geschichten von G.K. Chesterton. Sie äußerte sich immer wieder zur Frauenfrage: zu Formen der Ehe, zur Mode, zur Erziehung, zu Frauen in der Arbeitswelt und zu Künstlerinnen. Für eine Weile war Dora Benjamin/Kellner Herausgeberin von Die praktische Berlinerin und trug auch hier regelmäßig Satiren, Interviews, Porträts und Kurzgeschichten bei. Und sie verfasste mehrere Romane, die in Fortsetzungen in verschiedenen Tageszeitungen abgedruckt wurden, darunter ein in den dreißiger Jahre als „Gas gegen Gas“ und „Das Mädchen von Lagosta“ mehrfach erschienene  Roman über die Entwicklung besonders tödlicher neuer Giftgase. Von all diesen Texten ist nur ein einziger wiederabgedruckt worden – und zwar ironischerweise in der Werkausgabe ihres Mannes, die Dora Benjamin/Kellners 1925 veröffentlichte Zeitungsbeitrag „Waffen der Zukunft“ enthält – auch dieser Text handelt vom Gaskrieg der Zukunft – als stamme er von Walter Benjamins.

Wir glauben, dass die verschiedenen Texte Dora Benjamins/Kellners eine genauere Lektüre verdienen und dass an ihnen neue Formen der Lektüre entwickelt werden können. Dabei erscheinen uns folgende Kontexte besonders – aber keineswegs ausschließlich – wichtig.

  • Die Weimarer Medienlandschaft, in der Dora Benjamin/Kellner schrieb, ist schon seit langem ein wichtiges Forschungsfeld. Welche Rolle nehmen ihre Texte dabei ein, welchen anderen Texten ähneln sie sich, wie unterscheiden sie sich? Wie gelingt es der Autorin, sich hier zu etablieren, welche Netzwerke sowohl thematischer wie auch personeller Art sind dabei wirksam. Besonders wichtig und interessant ist dabei die Figur der Herausgeberin. Lässt sich an Die Praktische Berlinerin etwas von ihrer Arbeit ablesen? Wie verändert sich die Zeitschrift in dieser Zeit?FrauenDieIhren-PB2HeftJan27
  • Viele der Texte behandeln die Geschlechterverhältnisse, die sich in der Weimarer Republik radikal wandeln und intensiv diskutiert werden. Wie lassen sich diese Beiträge von Dora Benjamin/Kellner verorten, welche Trends nehmen sie auf, welche nicht und wie positionieren sie sich jeweils? Welche Themen werden dabei aufgenommen und wie wird dabei etwa Satire oder Fiktion verwendet? Wieder ist dabei Die praktische Berlinerin von besonderer Bedeutung: Welche Angebote macht die Zeitschrift an die Leserschaft und wie werden hier verschiedene Positionen miteinander ins Verhältnis gesetzt? Inwiefern erfüllte Dora Kellner/Benjamin selbst das Modell der neuen Frau und wie ging sie mit der Rolle in der mönnlic dominierten Publizsitik der Zeit um? Lässt sich das mit anderen Autorinnen der Zeit wie Vicki Baum, Marie-Luise Fleißer, Irmgard Keun oder Gabriele Tergit vergleichen?
  • Wenn es um Literatur geht, handelt Dora Kellner/Benjamin weltliterarisch und weltläufig. Sie nimmt die neuen Formen der Berichterstattung auf, vor allem das Interview, und versucht der Leserschaft zu vermitteln, was aktuell in der literarischen Welt, vor allem in England und Amerika geschieht. Welche AutorInnen und Texte sind dabei besonders wichtig und wie verhalten sich ihre Besprechungen zu anderen zeitgenössischen Kritiken? Wie werden dabei immer wieder auch die Übersetzungen thematisiert und wie übersetzt Dora Kellner/Benjamin selbst?
  • Auch die eigenen Romane und Geschichten von Dora Kellner/Benjamin lohnen sich, genauer in den Blick zu nehmen. Inwiefern ähneln ihre literarischen Texte bestimmten Vorbildern, etwa der angloamerikanischen Short story? Unterscheiden sich ihre Romane von den andern typischen Fortsetzungsromanen der Zeit und wie entwickelt sich dieses Genre gerade? Was lässt sich heute davon noch lesen und wie profitieren LeserInnen von solcher Lektüre?
  • Schließlich kann auch das Verhältnis zu Walter Benjamin diskutiert werden, der sich ja in denselben Jahren wie seine Frau publizistisch zu etablieren sucht. Haben die beiden sich ausgetauscht, auch so etwas wie eine Arbeitsteilung – er bespricht französische, sie englische Literatur – praktiziert, gar zusammen geschrieben? Finden sich in seinen Texten Spuren ihrer Ideen und umgekehrt? Inwiefern haben sie dieselben Netzwerke genutzt und sich gegenseitig unterstützt? Kann man Walter von Dora her lesen, und was kann das methodisch bedeuten?

Wir laden WissenschaftlerInnen dazu ein, zu diesen und ähnlichen Themen aus Dora Benajmin/Kellners Leben und Werk Beiträge (auf Deutsch oder Englisch) von ca. 25 Minuten vorzuschlagen und bitten um die Zusendung ca.halbseitigen exposés bis zum 9.1. 2026 an bbritt@vt.edu, carolin.duttlinger@wadham.ox.ac.uk oder daniel.weidner@germanistik.uni-halle.de. Aufenthalts- und innerdeutsche Reisekosten werden im üblichen Umfang erstattet, internationale Reisekosten auf Anfrage unterstützt. Eine Publikation der Beiträge (idealerweise als Sonderheft einer Zeitschrift o.ä.) ist geplant .

Workshop, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
June 18th – June 19th 2026

Organised by Esther Bauer, Brian Britt, Carolin Duttlinger und Daniel Weidner
Keynote address by Eva Weissweiler
Deadline for proposals: 9 January 2026

“Dora Sophie Kellner”, “Dora Sophie Benjamin”, “Dora Sophie”, “Dora”, “D.S.B.”, “K” or not signed at all — Dora Sophie Benjamin, née Kellner, signed her publications in many different ways. The variety is no accident: it corresponds to the media landscape of the Weimar Republic, which relied on small, often anonymous pieces, and it also reflects the specific difficulties of female authorship within that system: as Dora Benjamin/Kellner herself remarks in a short piece, women authors must master “two languages”: the hegemonic language one of men and the ‘own’, new one particular of women. The workshop takes this variety as its point of departure in order to reread Kellner’s writings. What issues are negotiated in them, and in which discursive and publishing contexts do they stand? In particular, what do they tell us about female and about journalistic authorship? And how can we read them today?

For a long time, Dora Sophie Kellner was primarily known because from 1917 to 1930 she was married to Walter Benjamin. In recent years, however — notably through two books by Eva Weissweiler — it has become increasingly clear that she was also an important and interesting figure in the media landscape of the Weimar Republic as an author and editor. In the 1920s she published numerous reviews, satires, stories and glosses in major newspapers and periodicals of the Weimar Republic such as Die Literarische Welt, Uhu, and Die Dame. She widely reviewed English and American literature and also worked as a translator from English, including of stories by G. K. Chesterton. She repeatedly commented on the “women’s question” (Frauenfrage): on different forms of marriage, on fashion, on education, on women in the workforce, and on female artists. For a time Dora Benjamin/Kellner was editor of Die praktische Berlinerin and regularly contributed satirical pieces, interviews, portraits and short stories to it. She also wrote several novels that were published serially in various daily newspapers, including one novel which appeared several times in the 1930s under the titles Gas gegen Gas and Das Mädchen von Lagosta and which dealt with the development of particularly deadly new forms of poisonous gas. Of all these texts only one has been reprinted — ironically, in the collected works edition of her husband, which includes Dora Benjamin/Kellner’s 1925 newspaper article “Waffen der Zukunft” (also about the gas war of the future) but presents it as Walter Benjamin’s work.

We believe that the various texts by Dora Benjamin/Kellner deserve closer attention and that new modes of reading can be developed from them. The following contexts seem particularly — though by no means exclusively — important to us.

•    The Weimar media landscape in which Dora Benjamin/Kellner wrote has long been an important field of research. What role do her texts play in this landscape, which other texts are they similar to, and how do they differ? How does the author succeed in establishing herself here; which networks — both thematic and personal — are effective in this regard? The figure of the editor is particularly important and interesting here. Can something of her work be discerned from Die praktische Berlinerin? How did the magazine change during this period?

•    Many of the texts deal with gender relations, which were undergoing radical change and intense discussion in the Weimar Republic. How can Dora Benjamin/Kellner’s contributions be located within these debates, which trends do they take up and which do they not, and how do they position themselves in each case? Which topics are taken up and how are satire or fiction used, for example? Again, Die praktische Berlinerin is of special importance here: what offerings did the magazine make to its readership and how were different positions set in relation to one another? To what extent did Dora Kellner/Benjamin herself fit the model of the New Woman, and how did she handle her role in the male-dominated publishing world of the time? Can this be compared with other women writers of the period such as Vicki Baum, Marie-Luise Fleissner, Irmgard Keun or Gabriele Tergit?

•    When it comes to literature, Dora Kellner/Benjamin has a cosmopolitan outlook. She adopts the new forms of reporting, above all her interviews, and tries to convey current literary trends her readers, especially in Great Britain and North America. Which authors and texts are particularly important in this regard, and how do her reviews relate to other contemporary criticism? How is the issue translations addressed inb this context, and how does Dora Kellner/Benjamin herself translate?

•    Dora Kellner/Benjamin’s own novels and stories are also worth a closerlook. To what extent do her literary texts resemble particular models, for example the Anglo-American short story? Do her novels differ from other typical serial novels of the time and how is this genre developing? What can still be read from them today and how do contemporary readers benefit from such readings?

•    Finally, the relationship to Walter Benjamin also merits discussion, since he too was attempting to establish himself in the publishing field in the same years as his wife. Did the two exchange ideas, even practise a kind of division of labour — he reviewing French literature while she focused on English literature — or perhaps even write together? Are traces of her ideas found in his texts and vice versa? To what extent did they use the same networks and support each other? Can one read Walter through Dora, and what methodological implications might this have?

A list of some of Dora Kellner’s publications can be found here: https://cloud.uni-halle.de/s/7kRiP7XVo8JAz4g

Prospective speakers are welcome to get in touch with the organisers to request access to digitized scans of a selection of her articles.
We invite scholars to propose papers (in German or English) of approximately 25 minutes on these and related topics from Dora Benjamin/Kellner’s life and work and ask for the submission of roughly half-page abstracts plus a brief biography by 9 January 2026 to , , and

Second-class domestic travel and accommodation expenses within Germany will be reimbursed; international travel expenses might be supported upon request. We are planning to publish the contributions as a journal special issue or similar.

Details

Start:
June 18, 2026 @ 8:00 am
End:
June 19, 2026 @ 11:00 pm