11. Mai 2024 · Als Walter Benjamin 1924 nach Capri kam, stellte die Begegnung mit der süditalienischen Kultur die Weichen für seine künftige Arbeit.Der Sommer auf Capri 1924 ist der längste von Benjamins italienischen Aufenthalten. Berühmt und berüchtigt ist er vor allem wegen der folgenreichen Begegnung mit der lettischen Theaterregisseurin Asja Lacis, „einer russischen Revolutionärin aus Riga“, die seine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus entscheidend befördert hat. Mindestens so bedeutsam und nicht minder folgenreich aber war seine Begegnung mit der süditalienischen Kultur, die Entdeckung von höchst gegenwärtigen Elementen eines mythischen Volksglaubens und paganer Religiosität im katholischen Italien, und das lange bevor der italienische Ethnologe Ernesto de Martino in den Fünfzigerjahren bei Feldstudien zu Trauerritualen und magischen Praktiken in Lucanien, Sizilien und Sardinien (der einstmaligen „Magna Grecia“) das Nachleben einer Mondo Antico entdeckte. Und auch ein Jahrzehnt bevor der unter Mussolini 1935/36 in das in Lucanien gelegene Dorf Aliano verbannte Carlo Levi eine vergangen geglaubte archaische Kultur vorfand, wie er 1945 sie in „Christus kam nicht bis Eboli“ beschreibt.
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