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Gemeinsame Tagung der IWBA und der IWBG Walter Benjamins ‚Treue’ – true to Walter Benjamin?

September 14, 2009 - September 17, 2009

Antwerpen, 14.-17.9. 2009

Vivian Liska, Daniel Weidner


Benjamins Schriften haben ein erstaunliches Nachleben. Auch nachdem die heftigen Deutungskämpfe um sein Werk sich gelegt haben, sind seine Texte aktuell geblieben. Stellt sich die einst so heiß diskutierte Frage, wie man Benjamin ‚gerecht’ werden könne, immer noch in anderer Form, oder ist seine Lektüre heute beliebig geworden? Und wie kann man die polarisierende Kraft seiner Texte und den sich daraus ergebenen Richtungsstreit der Vergangenheit selbst beschreiben? ‚Treue’ mag freilich ein gewichtiger und unheimlich ‚deutscher’ Name für diese Probleme sein – aber gerade dadurch adressiert er die Paradoxien der Überlieferung, denen auch Benjamins Werk anheimgefallen ist, und in denen sich Treue und Verrat oft nicht unterscheiden lassen.

Die Dialektik solcher Rezeptionsprozesse war Benjamin ebenso vertraut wie die Ironien der Treue. Seine Theorie der Kritik wie seine kritische Praxis leben aus dem paradoxen Impetus, etwas zu bewahren, um es zu zerstören und umgekehrt. Benjamin blieb seinen Gegenständen, seinen intellektuellen Orientierungen und sogar seinen Formulierungen treu, um sie in die je neue Konstellation des Denkens einzubringen. Die Treue der Wörtlichkeit in der Übersetzung, die Treue zu den Dingen (einem Nachmittag, einem Baum, einem Sonnenflecken), die Praktiken des Sammelns und Sicherns, aber auch der Gestus der Kontemplation und ihrer “hoffnungslosen Treue zum Kreatürlichen” prägen seine theoretische Haltung nicht weniger als die der Konstruktion, Destruktion und Mortifizierung.

Heute, angesichts des anhaltenden Interesses an Benjamin und sich der immer breiter ausdifferenzierenden Forschung gilt es, auf diesen Materialbezug ebenso zu reflektieren wie auf den Bezug der eigenen Lektüre zu ihrem Gegenstand. Soll man heute Benjamins Texte sichern oder popularisieren, soll man seine Gedanken ‚weiterdenken’ oder gegen den Strich lesen, sie historisieren, oder sie in die Gegenwart übertragen und ‚anwenden’? Die Frage nach der Treue Benjamins und der Treue zu Benjamin bedeutet mehr als die vermeintlich objektive Frage nach einer ‚angemessenen’ Lektüre – sie fragt nach dem eigenen Ort und der Gegenwart des Lesens und zwingt, die eigenartige Attraktion wie Abwehr der eigenen Lektüre gegenüber Benjamin zu reflektieren.

Details

Start:
September 14, 2009
End:
September 17, 2009